Eine Minzen-Sage

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Die blondlockige Nymphe Minthe, Tochter des Unterwasserflussgottes Kokytos,sammelte frische Kräuter und legte sie in ein Körbchen. Aus Kräutern hatte sie gerade einen Kranz gewunden und aufs Haar gelegt. Sie freute sich über den kühlen, aber sonnigen Frühsommer-Morgen.

Hades, Bruder von Zeus und Gott der Unterwelt und Ehemann der Göttin Persephone, streckte, getarnt durch einen Maulwurfhügel, seinen Kopf auf die Erde. Er wollte sich auf festem Boden ein wenig die Beine vertreten. Da entdeckte er die hübsche Nymphe, in die er sich gleich verliebte und sie kurz entschlossen in sein Reich hinunterzog. Hades fragte sie nach ihrem Namen. „Minthe“, flüsterte sie. „Die Römer nennen mich Mentha.“ Der Schock sass ihr noch in allen Gliedern. „Dein Name gefällt mir“, sagte Hades. „Ich bin Hades, der Gott der Unterwelt.“
Minthe schaute Hades genauer an und fand ihn eigenartig: „Du hast aber einen komischen Hals!“ „Das ist ein Periskophals“, antwortete Hades, „eine sehr nützliche Einrichtung, die mir schon viele Male geholfen hat.“ – „Komm, ich zeige dir meinen Palast“, lud er Minthe ein. Die Nymphe verabscheute protzige Paläste, aber sie war auch neugierig. Hades umgarnte nun das Naturkind mit seinem Charme und verwöhnte sie mit all dem Reichtum, den er als Gott aus den Aermeln schütteln konnte. So verbrachten sie zusammen einen vergnügten Sommer. Hades war im Sommer stets allein, weil er nach dem Urteil von Zeus die Hälfte des Jahres ohne seine Persephone, die er einst geraubt hatte, in der Unterwelt leben musste.

Die Zeit verging schnell. Mit einem Mal stand die Göttin vor den beiden Verliebten. Vor Wut zitternd machte sie auf der Schwelle kehrt, bevor Hades ein klärendes Wort sagen konnte. In kürzester Zeit war sie wieder zurück. Hinter ihr stand Demeter, ihre Mutter und Göttin der Fruchtbarkeit. Demeter packte das luftige, schöne Naturwesen Minthe voller Neid mit eiserner Faust an den blondglänzenden Haaren, zerrte sie hinter sich her und zerriss sie in tausend Stücke. Dann verschwand die wütende Göttin wieder so schnell, wie sie gekommen war.

Hades fiel vor seiner Gemahlin auf die Knie und bat um Verzeihung. Dabei hob er verstohlen die Teile seiner zerfetzten Geliebten auf und versteckte sie. Noch immer duftete es reinigend und frisch. Was sollte er nur damit machen? Da hatte er eine Idee! Er packte die Ueberreste in einen Sack und schlich durch einen seiner Geheimgänge, die sein Reich mit der Oberwelt verband, auf die Erde. Dort verteilte er die Teile Minthes gleichmässig über weite Gebiete der Erde. Dann kehrte er betrübt in sein Reich zurück. Er konnte das lebensfrohe Wesen nicht vergessen. Mit der Zeit wuchs Gras über die ganze Angelegenheit. Persephone versöhnte sich mit Hades. Als Demeter im Frühling wieder die Vegetation hervorlockte, bemerkte sie nicht, dass ein völlig neuartiges Kraut mit einem intensiven, aber frischen Duft auf der Erde wuchs. Die Bienen besuchten es überaus gerne. Es dauerte nicht lange, da vermehrte und kreuzte sich die wohlriechende Pflanze mit ihren Artgenossen und es entstanden viele neue Arten. Persephone bemerkte den neuen Duft sehr wohl und kannte auch dessen Herkunft. Aber auf diese Weise war die Nebenbuhlerin keine Gefahr mehr für sie.

Minthe aber rächte sich doch noch an den beiden: Obwohl Hades wie Persephone ausgiebig Granatäpfel assen und deren Saft tranken, blieb der Kindersegen aus. (Granatäpfel sollen die Fruchtbarkeit steigern.)

Quelle: „Wie aus dem Zankapfel die Einbeere wurde“ von Bernd Hertling

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